Bundesinnenministerin Nancy Faeser äußert sich Ende April 2024 vor Journalisten.

Nach Islamisten-Demo in Hamburg Faeser gerät in Zugzwang

Stand: 03.05.2024 11:03 Uhr

Die Rufe nach Konsequenzen nach der Islamisten-Demo in Hamburg werden parteiübergeifend lauter - und richten sich vor allem an Innenministerin Faeser. Auch der Vorschlag für einen neuen Straftatbestand steht im Raum.

Knapp eine Woche nach einer umstrittenen Islamisten-Demonstration in Hamburg reißt die Debatte um mögliche Konsequenzen nicht ab - was zugleich den Druck auf Bundesinnenministerin Nancy Faeser erhöht. Auch aus den Reihen der Koalitionspartner mehren sich die Forderungen nach einem härteren Vorgehen.

Die Zeit der Ankündigungen müsse nun vorbei sein, mahnte etwa Lamya Kaddor, die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, im Gespräch mit der "Rheinischen Post". Sie forderte: "Wir müssen islamistischen Gruppen, die in Deutschland aktiv sind, das Handwerk legen und alle rechtsstaatlichen Mittel dafür in die Hand nehmen."

Aus für "Islamisches Zentrum Hamburg" gefordert

Auch der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle drängte auf ein härteres Durchgreifen "gegen radikal-islamische Akteure aus dem Ausland". In diesem Zusammenhang sprach sich Kuhle für ein Verbot des "Islamischen Zentrums Hamburg" (IZH) aus, das aus seiner Sicht "schon seit vielen Jahren eine Außenstelle des Mullah-Regimes aus Teheran" sei.

Das IZH steht bereits seit Längerem unter Beobachtung deutscher Behörden. Im vergangenen November wurden Razzien gegen das IZH und mögliche Teilorganisationen durchgeführt - zum einen wegen des Verdachts, das IZH richte sich "gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung". Zum anderen wurde vermutet, dass das IZH die in Deutschland verbotenen Aktivitäten der libanesischen Terrororganisation Hisbollah unterstützt.

Auch die Union fordert die Schließung des IZH. Ebenfalls mit der Begründung, es spiele als "verlängerter Arm des iranischen Regimes eine ganz erhebliche Rolle bei der Verbreitung islamistischer Propaganda und der Überwachung von Exil-Iranern in Deutschland", wie Alexander Throm, der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, gegenüber der "Rheinischen Post" erklärte.

Mehr als 1.000 Demonstrierende in Hamburg

Eine weitere Forderung aus den Reihen der CDU bezieht sich auf die Versuche der Organisatoren der umstrittenen Demonstration, Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu "Allahu Akbar"-Rufen ("Gott ist groß") zu animieren und das Kalifat als die Lösung gesellschaftlicher Probleme darzustellen. Allerdings bezog sich die Kalifats-Forderung angeblich nur auf islamische Staaten, nicht auf Deutschland.

An der Demo hatten sich mehr als 1.000 Menschen beteiligt, um gegen eine angeblich islamfeindliche Politik und Medienkampagne in Deutschland zu protestieren. Der Anmelder der Kundgebung steht nach Informationen des Hamburger Verfassungsschutzes der Gruppierung "Muslim Interaktiv" nahe, die als gesichert extremistisch eingestuft ist. 

"Forderungen nach einem Kalifat in Deutschland, auf die Straße getragener Hass und Hetze sind absolut inakzeptabel", betonte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und CDU-Politiker Hendrik Wüst im "stern". Faeser solle "die Organisationen, die hinter solchen Kalifats-Fantasien stecken, endlich verbieten".

Kalifat-Rufe als Straftat?

Der Unionspolitiker Christoph de Vries forderte, solche Ausrufe künftig unter Strafe zu stellen. Er sieht Faeser und Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP in der Verantwortung, einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen. Denkbar wäre laut de Vries eine Regelung, wonach sich Personen strafbar machen würden, die öffentlich fordern, in Deutschland eine Staatsordnung zu errichten, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sei. Möglich wäre auch eine Änderung, die an den Tatbestand des Hochverrats oder der Verunglimpfung des Staates anknüpfe. 

Insgesamt brauche es jetzt einen überparteilichen Schulterschluss, forderte de Vries weiter. Um zu zeigen, dass man Demonstrationen wie zuletzt in Hamburg nicht dulde und dagegen auch strafrechtlich vorgehen wolle. "Auch wenn dies grundrechtssensibel ist und einen Eingriff in die Meinungsfreiheit bedeutet, müssen wir diese Debatte ernsthaft führen", so der CDU-Politiker.

"Hass und Hetze" untergräbt Religionsfreiheit

Die Verbreitung von "Hass und Hetze" und die "Untergrabung der freiheitlich demokratischen Grundordnung" seien keinesfalls durch die Religionsfreiheit geschützt, betonte der Religionsbeauftragte der Bundesregierung, Frank Schwabe. Im Gegenteil untergrabe solches Handeln "den Gedanken der Achtung der Menschenrechte - und damit auch der Religions- und Weltanschauungsfreiheit - in einem demokratisch-pluralistischen politischen System".

Darum könnten sich die Verantwortlichen für Projekte, die die freiheitlich demokratische Grundordnung infrage stellten, nicht auf Religionsfreiheit berufen, auch wenn sie sich immer wieder auf eine Religion beziehen würden. "Das hat genauso wenig mit Religionsfreiheit zu tun wie Rechtsextreme, die vermeintlich das Christentum verteidigen wollen", so Schwabe.

Faeser selbst hatte die Demonstration in Hamburg als "schwer erträglich" bezeichnet und ein hartes Einschreiten des Staates bei Straftaten auf solchen Veranstaltungen gefordert. Rückendeckung erhielt sie kurz darauf von Bundeskanzler Olaf Scholz. Er stehe hinter den Aussagen der Bundesinnenministerin und teile die Auffassung, dass "gegen all das, was an islamistischen Aktivitäten" in Deutschland stattfinde, "mit den Möglichkeiten und den Handlungsoptionen unseres Rechtsstaates vorgegangen werden" müsse.